Mittwoch, 11. Juli 2012

Bernard Mandevilles Bienenfabel


In Zeiten überbordenden, verantwortungslosen Egoismus' ist vielleicht ein alter Text, eine impressive Parabel, eine interessante Lektüre.

1705 erschien von Bernard Mandeville (15.11.1670-21.1.1733) seine Bienenfabel. Sie wurde einerseits gepriesen,  andererseits heftig kritisiert und verurteilt, weil sie sich gegen die Tugenden und Tugendhaften aussprach und Prosperität, ähnlich wie heute, dem Egoismus, dem Luxus, dem untugendhaften Streben nach eigenem Glück zuschrieb.



Bernard de Mandeville

Der unzufriedene Bienenstock
oder
Die ehrlich gewordenen Schurken
1705



Ein Bienenstock., dem keiner sich
An Macht und Reichtum sonst verglich,
Des fleißige, wohlgenährte Scharen
Geehrt in Krieg und Frieden waren,
War als das rechte Heimatland
Von Kunst und Wissenschaft bekannt.
Wenn die Parteien auch Streit geführt,
Ward doch das Ganze gut regiert;
Nie hat der Pöbel wild geknechtet
Das Volk, nie ein Tyrann entrechtet,
Durch Könige, deren Macht beschränkt,
Ward es mit milder Hand gelenkt.

Das Leben dieser Bienen glich
Genau dem unsern, denn was sich
Bei Menschen findet, das war auch
En miniature bei ihnen Brauch,
Obwohl dies freilich nicht zu merken
Bei ihren kunstvoll kleinen Werken.
Jedoch bei uns ist nichts bekannt
In Haus und Hof, in Stadt und Land,
In Handel, Kunst und Wissenschaft,
Wofür nicht dort Ersatz geschafft.
Gab's also Könige und hielten
Sich diese Wachen, die aber spielten
Nicht Würfel, so liegt trotzdem nah:
Irgendein Spiel war sicher da;
Denn nirgends gibt's ein Regiment
Soldaten, das kein solches kennt.

Des Bienenstockes emsige Menge
Gedieh durch seines Volks Gedränge.
Millionen widmen Kraft und Zeit
Der Andern Lust und Eitelkeit,
Millionen wieder sind berufen,
Um zu zerstören, was jene schufen.
Trotz des Exports in alle Welt
Es noch an Arbeitskräften fehlt.
Manch Reicher, der sich wenig mühte,
Bracht' sein Geschäft zu hoher Blüte,
Indes mit Sense und mit Schaufel
Gar mancher fleißige arme Teufel
Bei seiner Arbeit schwitzend stand,
Damit er was zu knappern fand.

Auch gab es manchen Dunkelmann,
Des Kunst man nirgends lernen kann,
Der sich ganz dreist und ungeniert
Mit leerem Beutel etabliert:
Wie Kuppler, Spieler, Parasiten,
Quacksalber, Diebe und Banditen,
Falschmünzer und andre Arbeitsscheue,
Die es verstehn, mit großer Schläue
Aus ihres simplen Nächsten Mühen
Gehörigen Profit zu ziehen.
Nur solchen zwar man "Schurken" schalt,
Doch war's auch, wer als ehrlich galt;
Es gab kein Fach und Amt im Land,
Wo Lug und Trug ganz unbekannt.

Die Advokaten waren groß
Im Recht-Verdrehen und suchten bloß,
Statt zu versöhnen die Parteien,
Sie immer mehr noch zu entzweien,
Bis sie nicht ein noch aus mehr wußten
Und vor den Richter treten mußten.
Sie zogen die Prozesse hin,
Um hohe Sporteln einzuziehn;
Galt's schlechte Fälle zu vertreten,
Sie eifrig das Gesetz durchspähten,
Wie Diebe Häuser, um zu sehen,
Wie denn die Einbruchschancen stehen.

Den Ärzten, wurden sie nur reich,
War ihrer Kranken Zustand gleich.
Aufs Heilen gaben sie nicht viel,
Sie setzten sich vielmehr zum Ziel,
Durch eifriges Rezepte-Schreiben
Des Apothekers Freund zu bleiben,
Der Wehfrauen und der Priester Gunst
Zu sichern sich durch Schmeichelkunst,
Sich mit den Weibern zu vertragen,
Zu billigen, was die Tanten sagen,
Mit süßem "Nun, wie geht es?" allen
Von der Familie zu gefallen
Und schließlich noch der Wartefrauen
Dummdreiste Reden zu verdauen.

Von denen, die dazu ersehen,
Des Himmels Segen zu erflehen,
War selten einer ernst-gelehrt,
Viel öfter hitzig und verkehrt.
Doch glückt's den meisten zu verhüllen,
Wie Stolz und Habgier sie erfüllen,
Worin sie nicht geringern Ruf,
Als der Soldat in Spiel und Suff.
Ein paar, in sichtlich tiefer Not, .
Erbaten still ihr "täglich Brot"
– Sie meinten Schüsseln, wohlgefüllt –,
Doch blieb ihr Sehnen ungestillt.
Wie wacker darbten diese Frommen!
Das ist den andern sehr bekommen,
Den Herren, deren blühnde Wangen
Im Wohlsein und Behagen prangen.

Dem Krieger, den zur Schlacht man trieb,
Ward Ehre, wenn er leben blieb;
Gelang's ihm, seitwärts sich zu schlagen,
Riskiert er dennoch Kopf und Kragen.
Manch General kämpft wie ein Held,
Und mancher nimmt vom Feinde Geld.
Wer stets im ärgsten Feuer stand
Und Arm und Bein verlor; der fand
Als Krüppel sich zu guter Letzt
Auf halbe Pension gesetzt;
Dem, der stets ruhig blieb zu Haus,
Zahlt man sie dafür doppelt aus.

Minister dienten zwar den Königen,
Doch Treue fand man nur bei wenigen;
Da dienend nur sich selbst sie nützten,
Bestahl'n den Thron sie, den sie stützten.
Man lebte gut, doch rühmt' als ehrlich
Sich gern, war das Gehalt auch spärlich.
Was man erwarb durch Schwindelei'n,
Strich man als "Nebengelder" ein,
Und wenn das Volk den Kniff erkannte,
Man es "Emolumente" nannte,
Damit man nicht verständlich sei,
Wo irgendein Profit dabei.
'S gab keine Biene, die nicht wollte
Mehr kriegen, nicht grad als sie sollte,
Doch als sie wünschte, dem zu zeigen,
Der's zahlte; wie's ja Spielern eigen,
Nicht erst darauf zurückzukommen,
Was sie den andern abgenommen.

Schier endlos war des Schwindels Masse,
Sogar das Zeug, das auf der Gasse
Als Düngemittel sie erstanden,
Die armen Käufer oftmals fanden
Vermengt zu einem ganzen Viertel
Mit bloßen Steinen und mit Mörtel.
Hans Taps, verraten und verkauft,
Hat dafür brav die Milch getauscht.

Justitia, so hochgesinnt,
Kann fühlen noch, ist sie auch blind.
Die Waage oft der Hand entsank,
Die nötig war zum Geldempfang.
Dem Recht gemäß – so schien es freilich –
Verfuhr sie, gänzlich unparteilich,
Bei Mord und Akten von Gewalt,
Die man mit Leib und Leben zahlt;
Und mancher ward zu Fall gebracht
Durch Schlingen, die andern er zugedacht.
Doch hielt ihr Schwert – ward leicht entdeckt
Nur arme Teufel in Respekt,
Die sich zwar nur aus Not vergingen,
Jedoch alsbald am Galgen hingen,
War's auch bloß um 'ne Kleinigkeit:
Wenn nur die Reichen in Sicherheit!

Trotz all dem sündlichen Gewimmel
War's doch im ganzen wie im Himmel.
In Krieg und Frieden warb mit Kunst
Manch fremde Macht um ihre Gunst;
Ihr Überfluß an Geld und Leben
Ließ immer sie den Ausschlag geben. –
Wie hat's ein solches Land doch gut,
Wo Macht ganz auf Verbrechen ruht!

Die Tugend, die von Politik
Gelernt gar manchen schlauen Trick,
Auf der so vorgeschriebenen Bahn
Ward nun des Lasters Freund; fortan
Der Allerschlechteste sogar
Fürs Allgemeinwohl tätig war.
So herrscht im ganzen Einigkeit,
Wenn auch im einzelnen oft Streit,
Wie der Musik harmon'sche Schöne
Entsprießet aus dem Streit der Töne.
Was sich sonst gänzlich ist entgegen,
Hilft sich, als wär's des Trotzes wegen;
Es fördert weise Mäßigkeit
Die Trunksucht und Gefräßigkeit.
Der Geiz, dies scheußlich böse Laster
– Keins ist fluchwürdiger und verhaßter –,
War Sklav' der nobelsten der Sünden,

Verschwendung; durch den Luxus finden
Millionen Armer sich erhalten,
Auch durch den Stolz, den alle schalten.
Nicht minder dient der Neid sowie
Die Eitelkeit der Industrie.
Die Sucht, sich als modern in Speisen,
In Kleid und Möbeln zu erweisen,
Stets ein Objekt des Spottes zwar,
Des Handels wahre Triebkraft war.
Gesetze wurden umgestaltet
So schnell, als wie die Tracht veraltet;
Was heut als gut und löblich galt,
Man übers Jahr Verbrechen schalt.
Doch grad durch diese Flickarbeit
An Recht und Brauch zu jeder Zeit
Gar mancher Schaden Heilung fand,
Den Klugheit nie vorausgeahnt.

So nährte das Laster die Findigkeit,
Und diese, im Bund mit Fleiß und Zeit,
Hatte das Leben so angenehm,
So wahrhaft lustvoll und bequem
Gemacht, daß jetzt der Arme sogar
Noch besser dran als einst der Reiche war.
Vollendung herrschte offenbar. –
Wie eitel ist's nach Glück zu streben!
Man sah nicht: es muß Grenzen geben
Der Lust; Vollkommenheit hienieden
Hat uns der Himmel nicht beschieden.
Die Tierchen waren zwar soweit
Zufrieden mit der Obrigkeit;
Jedoch, ging einmal etwas quer,
Dann gab es gleich kein Halten mehr,
Heer, Flotte und Regierung flugs
Beschuldigte man des Betrugs,
Den man sich selbst zwar gern verzieh,
Indessen andern Leuten nie.

Ein Mann – er hatte schweres Geld,
Um das er arm und reich geprellt –
Rief laut: "So kann's nicht weitergehn
Mit den Betrügereien", – und wen
Glaubt man, daß der Halunke schalt?
'nen Kellner, weil der Kaffee kalt.

Wenn nur das mindeste geschah,
Worin man eine Schädigung sah,
Sogleich erhob man ein Gezeter:
"Wo ist die Tugend hin, ihr Götter!"
Merkur ergötzte dieser Streit,
Die andern nannten's Albernheit,
Was man doch liebte, so zu schmähen.
Doch Jupiter, der länger sehen
Den Zank nicht mochte, rief: "Genug.
So seid befreit denn vom Betrug!"
Sofort geschah's – und Redlichkeit
Erfüllt nun alle weit und breit.
Gleichsam im innern Spiegel finden
Sie schamerfüllt all ihre Sünden,
Die sie nun mit Erröten sehen
Und dadurch schweigend eingestehen,
Wie Kinder, was sie Böses taten,
Durch ihre Farbe bald verraten,
Im Glauben, sieht man sie nur an,
So wisse man, was sie getan.

O Gott, wie war der Schreck entsetzlich!
Der Wandel war auch gar zu plötzlich.
Der Preis des Fleisches fiel zur Stund'
Um einen Groschen auf das Pfund.
Und als die Heuchlermaske allen,
Vom Kanzler bis zum Knecht, entfallen,
Erschien als Fremdling nun im Land,
Wer in Verstellung wohlbekannt. –
Wie still's nun im Gerichtssaal war!
Der willige Schuldner zahlte bar,
Selbst was der Gläubiger vergaß,
Der's dem erließ, der nichts besaß.
Die jetzt im Unrecht waren, schwiegen
Und ließen die Prozesse liegen;
Worauf – da keiner schlechter steht
Als der Jurist, wo's ehrlich geht –
Wer nicht noch grad zu leben fand,
Die Mappe unterm Arm, verschwand.

Justitia knüpft schnell einige auf,
Die andern läßt sie frei; darauf
Ist sie, da weiter nicht vonnöten,
In prächtigem Zuge abgetreten.
Die Schmiede, mit Schlössern und Eisentüren,
Mit Gittern und Fesseln, vornweg marschieren;
Wärter und Wächter schließen sich an.
Der Göttin sieht vorausgehen man
Das Haupt von ihrem ganzen Stab,
Des Rechts Vollender, Herrn "Kopfab",
Nicht mit dem allegor'schen Schwert:
Mit Beil und Strick, wie sich's gehört.
Auf Wolken dann die schöne Blinde,
Justitia selbst, entführt vom Winde.
Um ihren Wagen dicht geschart
Sind Häscher und Büttel jeder Art,
Und die sich sonst berufen finden,
Die Menschen bis aufs Blut zu schinden.

Die Bienen, die als Ärzte jetzt
Noch lebten, waren hochgeschätzt,
Weil alle tüchtig und erfahren
Und immer gleich zur Stelle waren.
Beiseite ließ man alles Zanken
Und widmete sich ganz den Kranken,
Verschrieb nur, was daheim sich fand,
Nicht schlechtes Zeug aus fremdem Land;.
Man wußte, daß Gott Heilung spendet
Dem Lande, dem er Krankheit sendet.

Die Priester tun selbst ihre Pflicht
Und brauchen die Vikare nicht.
Gebet und Opfer füllt die Zeit,
Die einst dem Laster war geweiht.
Wer nicht geeignet oder findet,
Daß er entbehrlich sei, verschwindet.
Nur noch für wenige blieb Raum
– Braucht sie ja doch der Gute kaum –,
Den Hohepriester und ein paar
Um ihn, dem man gehorsam war;
Er selbst den heiligen Pflichten lebend,
Nicht mehr nach Macht im Staate strebend.
Nicht jagte Kranke er davon,
Bracht' Arme nicht mehr um den Lohn;
Dem Hungrigen gab er jetzt Brot,
Dem Armen half er aus der Not,
Dem Müden er ein Lager bot.

Bei den Ministern, und mit ihnen
Bei allen, die dem Staate dienen,
War groß der Wandlung, denn alsbald
Lebt man genügsam vom Gehalt.
Hätt' sich ein Armer hetzen sollen,
Sein bißchen Geld sich abzuholen,
Und hätte man, eh' er's bekommen,
Ihm noch fünf Gulden abgenommen,
So hätte man Betrug gescholten,
Was einst als gutes Recht gegolten.
Was früher drei zusammen machten,
Die sich einander überwachten,
Oft auch in biedrer Kumpanei
Sich halfen in der Dieberei,
Das macht jetzt einer gut und ehrlich,
So werden Tausende entbehrlich.
Nicht mehr gilt's jetzt als Ehrensache
Für einen, daß er Schulden mache.
Ins Leihamt wandern die Livreen,
Spottbillig zum Verkaufe stehen
Jetzt Villen, dazu Pferd und Wagen,
Denn man wünscht Schulden abzutragen.

Gespart wird tüchtig jetzt; nicht mehr
Hält man in Feindesland ein Heer.
Man lacht der Achtung fremder Staaten,
Des eitlen Ruhms durch Waffentaten,
Und wagt allein des Kriegs Gefahren,
Um Freiheit oder Recht zu wahren.

Wie das Gewerbe nun gedeiht
Bei unsrer Bienen Ehrlichkeit,
Drauf achte man: Fort ist die Pracht,
Verändert alles über Nacht.
Denn nicht bloß, die das Geld in Massen
Ausgaben, hatten bald verlassen
Den Stock: auch jene gehen in Scharen,
Die auf sie angewiesen waren;
Da alles überfüllt, ist's ihnen
Unmöglich, etwas zu verdienen.

Der Preis von Land und Häusern fiel.
Die Prachtpaläste, die beim Spiel
Man aufgebaut, gleich Thebens Mauern,
Sind "zu vermieten". Drinnen trauern
Hausgötter, einst so frohgemut;
Sie stürben gern in Feuersglut,
Um jene Worte nicht zu sehen,
Die hohnvoll an den Türen stehen.
Der Baubetrieb ist ganz gestört,
Jedwede Kunst hat aufgehört.
Nicht Maler werden mehr bekannt,
Steinschneider, Schnitzer nicht genannt.

Diejenigen, die noch übrig, streben,
Sparsam und anspruchslos zu leben:
Sie gleichen ihre Zeche aus
Und bleiben fürderhin zu Haus.
Kein Schenkmamsellchen geht jetzt mehr
In goldgesticktem Kleid einher,
Denn niemand mag jetzt noch was leihen
Für Sekt und teure Leckereien.
Fort sind sie, die mit ihren Damen
Beim Festdiner zusammenkamen,
Wo oft mehr draufgegangen war,
Als mancher braucht im ganzen Jahr.

Die stolze Chloe, deren Gatte
Für sie den Staat geschädigt hatte,
Verkauft die Möbel, einst erstanden
Für Gold, geraubt in fernen Landen.
Sie schränkt sich in der Küche ein
Und trägt ein Kleid aus grobem Lein.
Verflogen ist der Modewahn,
Trachten und Sitten dauern an;
Mit Gold- und Seidenstickerei
Und andern Künsten ist's vorbei.
Es herrscht ein friedlich still Gedeihn,
Stets kauft man gut und billig ein.
Natur, von Züchterkunst befreit,
Beut jegliches zu seiner Zeit;
Delikatessen gibt's nicht mehr,
Denn niemand gibt Geld dafür her.

Da man auf Luxus jetzt verzichtet,
So ist der Handel bald vernichtet.
Manch Handwerk mehr und mehr verfällt,
Betriebe werden eingestellt.
Darnieder liegt Kunst und Gewerb;
Sie, aller Strebsamkeit Verderb,
Zufriedenheit, läßt sie genießen
Ihr Weniges und nichts vermissen.

Der stolze Schwarm war jetzt so schwach,
Daß es an Kriegsmannschaft gebrach,
Die frechen Feinde zu verjagen.
Doch wagten sie es, sich zu schlagen,
Bis sie in ein Versteck getrieben,
Wo sie, bereit zu sterben, blieben,
Kein Söldling war mehr unter ihnen,
Sie waren selbst im Feld erschienen.
Ihr Heldenmut in allen Dingen
Ließ schließlich sie den Sieg erringen,
Obgleich mit furchtbaren Verlusten
Sie den Triumph bezahlen mußten.
Drauf gab, gewöhnt an harte Mühn,
Der Schwarm sich ganz der Arbeit hin.
Am Ende dieses Tugendstrebens
und exemplarisch reinen Lebens
Ward ihm ein hohler Baum beschieden.
Dort haust er nun in Seelenfrieden.

Die Moral

So klagt denn nicht: für Tugend hat's
In großen Staaten nicht viel Platz.
Mit möglichstem Komfort zu leben,
Im Krieg zu glänzen und doch zu streben,
Von Lastern frei zu sein, wird nie
Was andres sein als Utopie.
Stolz, Luxus und Betrügerei
Muß sein, damit ein Volk gedeih'.
Quält uns der Hunger oft auch gräßlich,
Zum Leben ist er unerläßlich.
Stammt nicht des edlen Weines Saft
Von einem garstig dürren Schaft?
Der, wenn man ihn nicht sorgsam pflegt,
Bloß nutzlos wuchert und nichts trägt,
Doch dessen Frucht uns Lust bereitet,
Wenn man ihn bindet und beschneidet.
Genauso uns das Laster nutzt,
Wenn das Gesetz es kappt und stutzt,
Ja, ist so wenig aufzugeben
Für Völker, die nach Größe streben,
Wie Hunger ist, damit sie leben.
Mit Tugend bloß kommt man nicht weit;
Wer wünscht, daß eine goldene Zeit
Zurückehrt, sollte nicht vergessen:
Man mußte damals Eicheln essen.
*

Bernard Mandeville Gesellschaft (niederländisch; dort auch Texte in Originalfassung)




Siehe auch:
Die ersten Gedanken über das Nachfrageproblem und die ersten Theorien
  Mandeville und Montesquieu: Der „Luxus“ und die soziale Ungleichheit
Beitrag in forum systemfrage 21



Etwas weiter entfernt, aber zum Thema Bienen passend, eine neue Publikation von Ralph Dutli über die Kulturgeschichte der Bienen.





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